Die Sonnenburg
in St. Lorenzen
2023
Was ist oder war oder sein wird
Wie viele Konflikte sind durch Religionen entstanden und wie viele gibt es noch heute? Die Kreuzzüge, Inquisition und Hexenverbrennungen, der Hugenottenkrieg, die Auseinandersetzungen im Heiligen römischen Reich deutscher Nation, die gegenreformatorischen Bestrebungen im Dreißigjährigen Krieg, die Expansionskriege des Islam, Hindus gegen christliche und muslimische Minderheiten und nicht zu vergessen der Nahostkonflikt oder zuletzt der Krieg in der Ukraine. Auch er nahm seinen Ausgang durch religiöse Vorstellungen. Orthodoxie gegen Atheismus. Selbst im Buddhismus, in dem das Töten jeglicher Lebewesen untersagt wird, haben Zen-Meister das Meditationstraining für den Krieg genutzt.
Natürlich sind Religionen immer auch ein Teil sozialer Machtsysteme mit Konfliktpotenzial. Sie haben aber auch ein großes Friedenspotential! Dies bezeugen nationale und internationale Organisationen die sich für den Frieden in der Welt und zwischen unterschiedlichen Glaubensrichtungen einsetzen. „Brot für die Welt“, „Church and Peace“, „Pax Christi“ oder der „Internationale Versöhnungsbund“ sind nur einige davon. Auch möchte das israelisch palästinensische Projekt „Roots“ Brücken schlagen und nicht zu vergessen „World Peace Brigade for Non-violent Action“ aus dem Libanon das auf dem Prinzip der Gewaltfreiheit Mahatma Ghandis aufbaut.
Die Sonnenburg als ehemaliges Kloster mit den Überresten einer Gotthardskapelle scheint mir geradezu prädestiniert um dieses Thema zu vertiefen. Das gleichseitige Kreuz als Grundriss symbolisiert die Vereinigung geistiger und materieller Kräfte, die Nahtstelle von Himmel und Erde, die Verbindung der 4 Himmelsrichtungen, die Beziehung von männlich und weiblich und aller anderen Gegensatzpaare. Als Form ist das griechische Kreuz nicht nur eines der ältesten christliche Symbole, sondern war als Mithras Kreuz bereits im Iran ein Symbol der unbesiegten Sonne. Die Sonne als Ausgangspunkt von Wärme und Licht, als Ursache der Tages- und Jahreszeiten und Garantin der Fruchtbarkeit ist also bereits in den frühesten Kulturen Bezugspunkt religiöser und mythologischer Vorstellungen. Waren es im antiken Griechenland Helios oder „Sol invictus“ bei den Römern, nahm die Vorstellung ihren Weg in die christliche Epoche, die Christus als die wahre Sonne pries. Ganz im Sinne des Ortes spielt also die Sonne im vorliegenden Projekt eine Schlüsselrolle. Die visuelle Erfahrung des Lichtgestirns kann als Offenbarung des Transzendenten erlebt werden. Die stählerne Hülle verjüngt sich Richtung Himmel, der Blick durch die offene Vierung bleibt frei. Sonnenstrahlen durchdringen die netzartige Struktur. Lichtflecken entstehen, Schatten wandern. Das Raumerlebnis wird ambivalent. Bedrängnis und Schutz liegen nahe beieinander. Ein Fingerzeig.
Woran glauben wir? Ist es eine höhere Macht – die Vorsehung aus der wir Hoffnung schöpfen? Glauben wir an Traditionen, die Wissenschaft, soziale Strukturen oder in Zukunft auch an die Früchte künstlicher Intelligenz?
Ein Projekt das die Gemeinsamkeiten in den Mittelpunkt stellt, ein Symbol der Vereinigung, denn alle Religionen sind Elemente von Identifikation, Sprache und Handlung die sich auf etwas Unfassbares beziehen. Die Einen nennen es Gott die Anderen Erleuchtung. Alle suchen einen Zustand des inneren Friedens, etwas Transzendentes und beauftragen die Menschen die Schöpfung zu bewahren und friedlich miteinander zu leben.
Es geht in meinem Projekt um eine Kultur des Dialogs, um Toleranz und Wahrheit, um diese wandernde leere Mitte, um den Fluss der Zeit versinnbildlicht durch die am Boden verlegten Steine, die pausenlos gerollt runder geworden sind, ähnlicher und fremder. Es geht um die Schatten im Spiel mit den Stunden. Der muslimische Hilal, der Davidstern, das Rad des Dharma, das hinduistische Om oder das christliche Kreuz, es sind abstrakte Zeichen die wir mit etwas verbinden. Die Tatsache, dass die Sonne scheint und die Erde sich dreht, rückt einmal das Eine ins Licht und einmal das Andere.
Lichtreflexe während uns die Schatten streifen.